Laut Suchtmittelgesetz sind in Österreich die Erzeugung und Verarbeitung, die Einfuhr und Ausfuhr sowie der Erwerb und Besitz von illegalen Drogen verboten. Größe und Volumen des illegalen Drogenmarktes können nur indirekt bestimmt werden. Eine relativ neue, aber zunehmend an Bedeutung gewinnende Monitoringmethode ist die Abwasseranalytik. Die große Stärke des abwasserbasierten Drogenmonitorings liegt in der Möglichkeit, mit hoher zeitlicher und räumlicher Auflösung zeitnahe Informationen über den Drogenkonsum der Bevölkerung zu liefern.
Neben dem Konsum von verbotenen Drogen kann mittels Abwasseranalytik auch der Konsum von legalen psychoaktiven Substanzen, insbesondere Alkohol (Konsummarker: Ethylsulfat) und Nikotin (Konsummarker: Cotinin) sowie von pharmazeutischen Wirkstoffen untersucht werden.
Diese Studie wurde vom Land Vorarlberg in Auftrag gegeben und entstand unter Mitwirkung der Abteilung Soziales und Integration (IVa) sowie der Abteilung Wasserwirtschaft (VIId) des Amtes der Vorarlberger Landesregierung.
In den siebzehn größten Kläranlagen Vorarlbergs wurden Abwasserproben an acht aufeinanderfolgenden Tagen im Februar 2020 gezogen und auf Spuren von Drogen bzw. deren Konsummarker hin analysiert. Aus den gemessenen Konzentrationen in den einzelnen Kläranlagen wurden die im Untersuchungszeitraum in Vorarlberg konsumierten Mengen an reinen Wirkstoffen berechnet. Ein Rückschluss auf ganz Vorarlberg ist zulässig, da im Einzugsgebiet der siebzehn Kläranlagen 96% der Vorarlberger Bevölkerung ansässig waren. Neben der einheimischen Bevölkerung wurde auch ein erheblicher Anteil an Urlaubsgästen gemonitort (ca. 45.000 pro Tag).
Alkohol ist jene psychoaktive Substanz, von der die größten Mengen pro Tag umgesetzt wurden. Im Schnitt wurden 6,4 Tonnen an reinem Ethanol pro Tag in Vorarlberg konsumiert. Bei einer mittleren Dosis von 20 g Ethanol ergibt das einen Umsatz von 0,5 Standardgläser pro Person pro Tag. Ein halbes Standardglas entspricht ungefähr einer halben Flasche Bier bzw. einem Glas Wein.
Die mittlere konsumierte Menge an Nikotin lag bei 1,8 kg pro Tag. Umgerechnet wurden durchschnittlich 2,4 Zigaretten pro Person pro Tag konsumiert. Tabak war somit jenes Genussmittel, von dem die höchste Anzahl an Dosen pro Tag umgesetzt wurde. Unter der Annahme, dass eine rauchende Person durchschnittlich 15 Zigaretten pro Tag umsetzt, bedeutete das, dass rund 16% der Vorarlberger Bevölkerung Nikotinprodukte konsumierten.
Cannabis war die am häufigsten konsumierte verbotene Droge. Im Mittel wurden 6,5 kg reines THC pro Tag pro Kopf konsumiert. Bei einer mittleren Dosis von 125 mg THC ergab das einen Umsatz von 86 Dosen pro 1000 Personen pro Tag. Die daraus hochgerechnete jährlich konsumierte Menge an THC betrug 2,4 Tonnen oder umgerechnet 10-20 Tonnen Cannabiskraut. Bei einem durchschnittlichen Preis von 10 € pro Gramm Cannabiskraut ergab das einen Schwarzmarktwert von 100-200 Millionen€.
Die am zweithäufigsten konsumierte verboten Droge war Kokain. Die mittlere täglich konsumierte Menge an Kokain lag bei rund 0,5 kg Reinsubstanz. Bei einer mittleren Dosis von 100 mg Kokain ergab das einen Umsatz von 8,3 Dosen pro 1000 Personen pro Tag. Die daraus hochgerechnete jährlich konsumierte Kokainmenge lag bei 182 kg Reinsubstanz. Bei einem durchschnittlichen Preis von 80 € pro Gramm Kokain ergab das einen Schwarzmarktwert von zumindest 14,5 Millionen €.
Die mittlere täglich konsumierte Menge an Amphetamin lag bei rund 73 g Reinsubstanz. Bei einer mittleren Dosis von 30 mg Amphetamin ergab das einen Umsatz von 3,8 Dosen pro 1000 Personen pro Tag. Die daraus hochgerechnete jährlich konsumierte Amphetaminmenge lag bei 27 kg Reinsubstanz. Bei einem durchschnittlichen Preis von 24 € pro Gramm Amphetamin ergab das einen Schwarzmarktwert von zumindest 0,64 Millionen €.
Die mittlere täglich konsumierte Menge an MDMA lag bei rund 10 g Reinsubstanz. Bei einer mittleren Dosis von 100 mg MDMA ergab das einen Umsatz von 0,2 Dosen pro 1000 Personen pro Tag. Die daraus hochgerechnete jährlich konsumierte MDMA-Menge lag bei 3,8 kg Reinsubstanz bzw. 38,000 XTC-Abwassermonitoring Vorarlberg Jänner 2021 9 Tabletten. Bei einem durchschnittlichen Preis von 15,50 € pro Tablette ergab das einen Schwarzmarktwert von zumindest 0,59 Millionen €.
Die mittlere täglich konsumierte Menge an Methamphetamin lag bei rund 5 g Reinsubstanz. Bei einer mittleren Dosis von 30 mg Methamphetamin ergab das einen Umsatz von 0,3 Dosen pro 1000 Personen pro Tag. Die daraus hochgerechnete jährlich konsumierte Methamphetaminmenge lag bei 1,9 kg Reinsubstanz. Bei einem durchschnittlichen Preis von 50 € pro Gramm Methamphetamin ergab das einen Schwarzmarktwert von zumindest 94.000 €.
Aus Mangel an Alternativen wurde 6-Acetylmorphin als Konsummarker für Heroin verwendet. Nachteil dieses Markers ist, dass nur wenige Prozent von Heroin als 6-Acetylmorphin ausgeschieden werden, und der Marker im Abwasser sehr instabil ist. Entsprechend konnte in keiner der gesammelten Abwasserproben 6-Acetylmorphin nachgewiesen werden. Auf Basis der Bestimmungsgrenze (5 Nanogramm pro Liter) kann daher davon ausgegangen werden, dass der tägliche Heroinkonsum unter 30 g Reinsubstanz bzw. 1200 Dosen lag.
Die beobachteten Methadonmengen lagen bei rund 11 g Reinsubstanz pro Tag. Das entsprach rund 185 Dosen an Methadon, die pro Tag in Vorarlberg konsumiert wurden. Dieser Wert stimmte gut mit der offiziellen Anzahl an mit Methadon substituierten Personen (N=228) überein.
Laut Abwasseruntersuchungen konsumiert in Vorarlberg eine Person im Durchschnitt ein Glas Wein bzw. eine halbe Flasche Bier, rund 2 Zigaretten, ca. 0,07 Einheiten Cannabis („Joints“) und ca. 0,01 Einheiten an verbotenen Stimulantien pro Tag. Bei den Stimulantien entfallen 65% der konsumierten Dosen auf Kokain, 31% auf Amphetamin und in Summe 4% auf MDMA und Methamphetamin. Abwassermonitoring Vorarlberg Jänner 2021 24 Innerhalb Vorarlbergs konnten regionale Unterschiede beim Konsum von legalen und illegalen Drogen beobachtet werden. Alkohol war jene Droge, die im ländlichen mehr als im (semi-)urbanen Raum konsumiert wurde. Der Nikotinkonsum war vor allem in vom Tourismus geprägten Regionen niedrig. Generell war der Konsum von verbotenen Drogen in den (semi-)urbaneren Regionen Vorarlbergs signifikant höher als in den ländlicheren Regionen Vorarlbergs. Innerhalb der ländlicheren Regionen gab es Unterschiede in den Prokopfumsätzen einzelner Drogen, die sich auf den Einfluss des Tourismus zurückführen ließen. Vor allem für Amphetamin und Methadon waren die Prokopfumsätze in den vom Tourismus geprägten Regionen niedriger als in den übrigen Regionen.
Eine weitere interessante Beobachtung war, dass am Wochenende die Alkohol-, Kokain-, MDMA-, Amphetaminumsätze höher als an den anderen Wochentagen waren, was darauf schließen lässt, dass diese Substanzen als Party- und Freizeitdrogen verwendet wurden.
Eine wichtige Schlussfolgerung der Studie ist, dass sich die aus den Ergebnissen der Abwasseranalyse abgeleiteten Trends weitgehend mit jenen aus anderen Kennzahlen des Drogenmarktes (z.B. aus dem Lagebericht Suchtmittelkriminalität des Bundesministeriums für Inneres und aus dem Bericht zur Drogensituation der Gesundheit Österreich) abgeleiteten Trends decken.
[Quelle: Amt der Vorarlberger Landesregierung Abteilung Soziales und Integration (IVa)]